- Lohnpolitik: Lohn- und Tarifpolitik
- Lohnpolitik: Lohn- und TarifpolitikDer Lohn ist im Rahmen der ökonomischen Analyse zunächst einmal ein Preis wie jeder andere auch. Eine flexible Lohnbildung auf dem Arbeitsmarkt ist damit eine der Voraussetzungen dafür, dass das Arbeitsangebot der Haushalte und die Arbeitsnachfrage der Unternehmen zum Ausgleich gebracht werden können. Allerdings gibt es einen gesellschaftlichen Konsens, den Arbeitsmarkt nicht dem völlig freien Spiel der Marktkräfte zu überlassen, weil die Höhe des Lohns von sozialpolitischer Relevanz ist. Außerdem herrscht vielfach die Sorge vor, dass ein unregulierter Arbeitsmarkt zu einer Ausbeutung der Arbeitnehmer führen könne.Vor diesem Hintergund hat sich im Laufe der Industrialisierung in vielen Industrieländern ein Lohnfindungsprozess herausgebildet, der nicht durch die einzelnen Unternehmen und Arbeitnehmer, sondern durch Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften (Tarifvertragsparteien) dominiert wird. Dies ist auch in Deutschland der Fall. Das Grundgesetz garantiert in Art. 9, Abs. 3 die Tarifautonomie. Danach sind nicht der Staat, sondern die Tarifpartner für die Vereinbarung von Löhnen, Gehältern und sonstigen Arbeitsbedingungen verantwortlich. Allerdings nimmt der Staat im Rahmen gesetzlicher Regelungen im Bereich des Arbeitsrechts, des Arbeitsschutzes und der Sozialgesetzgebung sehr wohl erheblichen Einfluss auf die Bedingungen der Arbeitswelt. Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Abgaben an die Sozialversicherungen beeinflussen staatliche Entscheidungen zudem in hohem Maße neben den tariflich vereinbarten Löhnen die Arbeitskosten (Direktentgelte und Personalzusatzkosten,). Ebenfalls grundgesetzlich abgesichert ist die Koalitionsfreiheit, wonach es Arbeitnehmern und Arbeitgebern freisteht, sich in Gewerkschaften und Verbänden zusammenzuschließen.TarifverträgeEs lassen sich verschiedene Arten von Tarifverträgen unterscheiden. In den Lohn- und Gehaltstarifverträgen (Entgelttarifverträge) wird die Vergütung der Arbeitsleistung geregelt. In Rahmentarifverträgen werden Vereinbarungen über Lohn- und Gehaltsgruppen und die Zuordnung von Arbeitnehmern in diese Klassifikationen getroffen. Die Manteltarifverträge regeln allgemeine Arbeitsbedingungen wie Urlaub und Arbeitszeit. Tarifverträge sind in Unternehmen verbindlich, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber den vertragsschließenden Tarifparteien angehören. Das deutsche System der Tarifverhandlungen ist durch ein mehrstufiges Verfahren gekennzeichnet. Läuft ein Tarifvertrag ab oder wird er gekündigt, beginnen die Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern. Kommt es zu keiner Einigung, dann kann jede der Seiten das Scheitern erklären. Anschließend kann durch die Einschaltung eines neutralen Vermittlers versucht werden, eine Kompromisslösung zu finden (Schlichtung). Erst nachdem die Schlichtung gescheitert ist, sind Arbeitskampfmaßnahmen -Streik und Aussperrung - möglich. Vor Ausrufung eines Streiks müssen sich allerdings mindestens 75 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder in einer Urabstimmung für diese Maßnahme ausgesprochen haben.Das deutsche Tarifsystem lässt sich dahingehend positiv beurteilen, dass es im internationalen Vergleich ein hohes Maß an Arbeitsfrieden ermöglicht hat. Negativ ist zu bewerten, dass das System den starken Anstieg der Arbeitslosigkeit seit den 70er-Jahren nicht hat verhindern können. Unangemessene Tarifabschlüsse werden von Arbeitsmarktexperten zusammen mit anderen Faktoren mitverantwortlich für den Anstieg der Arbeitslosigkeit gemacht. Insbesondere wird die mangelnde Differenzierung der Flächentarifverträge, die für eine gesamte Branche ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der individuellen Unternehmen gelten, zunehmend kritisiert. Als Krisenzeichen muss gewertet werden, dass sich etwa in den neuen Bundesländern viele Unternehmen durch Austritt aus den Arbeitgeberverbänden der Verbindlichkeit der Tarifverträge entzogen haben.Insider-Outsider-TheorieAuf der theoretischen Ebene wird das Versagen der Tarifvertragsparteien, durch moderate Lohnabschlüsse zu einer Begrenzung der Arbeitslosigkeit beizutragen, im Rahmen der Insider-Outsider-Theorie erklärt. Danach haben die Tarifpartner vor allem die Interessen der Insider - dies sind die Inhaber eines Arbeitsplatzes - vor Augen. Die Interessen der Outsider - dies sind die Arbeitslosen - finden demgegenüber kaum Gehör. Einige Beobachtungen bestätigen die Relevanz dieser Überlegungen: So sind etwa Abkommen zur Beschäftigungssicherung zum Schutz der vorhandenen Belegschaft weit verbreitet. Abkommen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze existieren hingegen kaum. Im Rahmen der Überlegungen über ein Bündnis für Arbeit in Deutschland wird vor diesem Hintergrund kontrovers diskutiert, ob nach dem Vorbild etwa der Niederlande in Zukunft im Rahmen von Lohnleitlinien verbindliche Vorgaben für die Tarifvertragsparteien gemacht werden sollen.
Universal-Lexikon. 2012.